Matthias Jung


 

FeedWind

Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

 

Segen der Feier - Die Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-11)

Predigtreihe "Alkohol in der Bibel" im Sommer 2012


Liebe Gemeinde,

Alkohol, das ist so ein Thema, bei dem alle mitreden können. Jede und jeder eine hat dazu eine Meinung. Vor einiger Zeit lief mir das Thema über den Weg. Ichhabe dann einiges gelesen, wurde immer nachdenklicher und neugieriger, als ich merkte wie verzweigt Meinungen, Einstellungen und Erfahrungen mit und zum Alkohol unter uns sind. Mein Eindruck ist, dass sich die Einstellungen zum Alkoholkonsum in allen Altersschichten in den letzten zwanzig Jahren verändert haben. So kam ich irgendwann auf die Idee dieser kleinen Predigtreihe. Denn ich habe mich auch gefragt: Was sagt eigentlich die Bibel zum Alkohol? Nicht in dem Sinn, dass da unbedingt direkte Richtlinien zum rechten Umgang mit Wein, Bier und Schnaps zu finden sind. Dazu sind die Lebensverhältnisse zwischen Israel und uns doch zu unterschiedlich und der zeitliche Abstand istzu groß. Aber vielleicht hilft mir der Umweg über die Bibel darüber nachzudenken, wie das in meinem, unseren Leben mit dem Alkohol aussieht. Schaden kann das ja nicht. Denn es ist ein heikles und gefährliches Thema. Menschen reagieren schnell empfindlich, wenn sie unverhofft auf das Thema angesprochen werden. Zumindest ist das meine Erfahrung. Das muss nicht sein, daher lade ich Sie ein, in dieser kleinen Predigtreihe einige Gedanken zu hören und für sich mitzudenken. Und am Ende zu sagen: So sehe ich das.

Die drei Predigten orientieren sich an den Vorzügen des Alkohols und an den Gefahren und an der Frage nach dem rechten Mass. Diese drei Blickwinkel werden auch in der Bibel betrachtet. Ich habe zunächst einfach alle Bibelstellen gelesen, an denen Wein erwähnt wird. Das erste, noch nicht wirklich überraschende Ergebnis: Wein (Bier kannte Israel nicht) gehört selbstverständlich zum Leben. Dann wird es aber schnell interessanter: Anders als in der griechich-römischen Welt, so habe ich gelesen, durften auch Frauen Wein trinken, – und vielleicht sogar auch die Kinder. Es gibt Stellen, die das vermuten lassen. Nun, spätestens da runzeln wir die Stirn – und das ist auch gut so, denn noch einmal, es geht nicht um Vorschriften und Gesetze, sondern um mich ins Nachdenken zu bringen. Über Sinn und Unsinn des Alkohols.

Heute steht zunächst der Wein bei der Feier im Zentrum. Und die klassische Geschichte dazu steht im Johannesevangelium, die Hochzeit zu Kana. [Lesen]

Ich finde das so schön, dass Jesus mitfeiert. Und Freude dran hat. Auch am Wein. Er war kein grießgrämiger Sauertopf und auch kein weltabgewandter Asket wie Johannes der Täufer. Nein, er war mittendrin. Und nicht nur bei der Hochzeit zu Kana. »Fresser und Weinsäufer« schimpften ihn seine Gegner. Selbst wenn das weit übertrieben sein sollte, einen Antialkoholiker würde man kaum so bezeichnen. Jesus hat also Wein getrunken, und wohl auch gerne und regelmäßig.

Mittendrin war Jesus beim Feiern. Er saß nicht nur am Rand. Sonst würde wieder der Vorwurf Fresser und Weinsäufer keinen Sinn machen. Er war kaum einer dieser schwarzgekleideten Pastoren, die uns aus Filmen vertraut sind, die dann bei der Feier irgendwo am Tisch sitzen und mildlächelnd dem bunten Treiben zuschauen, vielleicht mit dem Glas Wein in der Hand. Nein, Jesus war mittendrin, da bin ich mir ziemlich sicher. Jesus hat sich auf Menschen eingelassen, und das auch beim Feiern. Ich kann mir gut vorstellen, dass er sich mitreißen lassen konnte von der ausgelassenen Freude, von gutem Essen und einem schönen Tropfen, vielleicht auch von Musik und Tanz. Feiern, das ist wie ein Rausch. Kein Vollrausch, aber wenn wir feiern, dann unterbrechen wir den Alltag und lassen uns davontragen inmitten der Familie, von Freunden oder Nachbarn oder auch in der Gemeinde. Der Alltag ist oft hart und langweilig und mausgrau. Der Tag der Feier ist schön und bunt und ein willkommene Unterbrechung des alltäglichen Einerleis. Wir Menschen lieben solche Ereignisse in unserem Leben, wir brauchen sie wie das tägliche Brot. Es ist kein Zufall für mich, dass Jesus am Abend vor seinem Tod mit seinen engsten Vertrauten, seinen Freunden und Weggefährten noch einmal feiert und Brot und Wein als Zeichen der Gemeinschaft und der Erinnerung herum gibt. Brot, das Zeichen für das Lebensnotwendige, für Essen, Trinken, ein Dach über dem Kopf. Wein, das Zeichen für all das, was unser Leben schön und bunt und reich macht.

Natürlich kann ich jetzt fragen: Brauche ich dafür Alkohol, um so feiern zu können? Um den Alltag unterbrechen zu können? Viele Menschen, die aus welchen Gründen auch immer keinen Alkohol trinken, sagen hier: Nein. Und sie haben recht. Natürlich kann ich singen und tanzen und fröhlich sein, ohne Wein und Bier und Grappa. Aber, und da wird es nun spannend und auch heikel, im rechten Maß beflügelt das ein oder andere Glas, hebt die Stimmung, löst die Verkrampfung und die Sorgen. Ich weiß, ich weiß, das klingt gefährlich. Angesichts der Gefahren von Sucht und Abhängigkeit und so weiter. Im rechten Maß, habe ich gesagt. Das möchte ich heute morgen nicht weiter ausführen und auch nicht über den Fluch des Rauschs predigen. All das gibt es auch, und das kommt auch noch in dieser Predigtreihe, am nächsten Sonntag und am übernächsten. Heute rede ich aber über die Möglichkeit, sich mit Wein und Bier und Whiskey oder was es da noch an Köstlichkeiten gibt, im Rausch der Freude aus dem Alltag tragen zu lassen. Und in vertrauter Runde das zu genießen, was diese Erde mit den Trauben oder dem Hopfen oder dem Korn hervorbringt und von uns zu edlen Tropfen weiterentwickelt wird. Im rechten Maß eine wunderbare Gabe Gottes wie auch Musik und Tanz. Für die, die mögen und wollen. Gezwungen, genötigt wird niemand – zumindest aus christlicher Grundhaltung heraus.

Im Johannesevangelium wird diese Wundergeschichte, in der sich Wasser in Wein verwandelt, als allererstes Wunder Jesu geschildert, in dem er seine göttliche Macht und Verbundenheit offenbart. Die Geschichte knüpft an die uralte Dionysus-Legende an, die davon erzählt, dass Jahr für Jahr am Tag des Dionysusfestes aus den Quellen des Tempels Wein statt Wasser sprudelte. (Rudolf Bultmann, Das Evangelium nach Johannes, S. 83). Dieser Mythos wird hier im Evangelium ganz fein noch einmal gesteigert: nicht nur einfacher Wein kommt mit Jesus bei dieser Feier zu den Menschen, sondern vorzüglicher Wein. Er ist besser als der, den der Bräutigam gekauft hat. Es ist ein Grund zur Freude und zum Feiern, dass Gott in Jesus in unsere Welt hineingekommen ist und immer wieder hineinkommt. Und jede Feier bietet die Chance, sich daran zu erinnern, dass es nicht nur Schweres und Belastendes und Leid in der Welt gibt, sondern eben auch Momente der Freude, des Jubels, des Rausches. Auch und gerade die gottesdienstliche Feier erinnert uns daran. Gott kommt zu uns, wenn uns das nicht in Jubel versetzt und berauscht! In unseren protestantisch-nüchternen Gottesdiensten ist davon selten etwas zu spüren, aber gehen Sie mal in einen Gottesdienst einer charismatisch ausgerichteten Gemeinde oder denken Sie an die Bilder von Gottesdiensten in Afrika, in denen sich die Gemeinden in einen Rausch der Freude singen und tanzen. Als Sinnbild der Freude, dass Gottes Geist unter uns lebendig ist und es Hoffnung für uns und die Welt gibt. Und jede gelungene Feier mag soauch zum Sinnbild für Gottes Zuwendung zu uns werden. Gott der will, dass wir nicht nur leben, sondern möglichst auch gut und schön leben. Wie gesagt, das geht auch ohne Alkohol. Aber recht gebraucht mag er hilfreich dazu sein. Gott sei Dank dafür.

Amen.